Die Bestenliste
1. Was sind Ihre Schwächen und wie schwächen Sie Ihre Schwächen?
Tja, was soll man dazu sagen… Stellen Sie sich vor, Sie gehen ein Auto kaufen. Der Verkäufer beginnt begeistert zu berichten, dass der Lack Ihres Traumwagens zwar supergünstig sei, aber leider auch sehr rostanfällig. Und in der Regel hält der Anlasser leider auch nur vier bis maximal fünf Jahre. Und die Lüftung hat in der Regel nach zehn Jahren ausgedient. Man arbeite aber im Werk an diesen Defiziten. Ganz ehrlich, würden Sie das Auto kaufen?
In der Regel liefert diese Frage in 98% aller Fälle nur eine Antwort: «Äh, ich bin ein bisschen ungeduldig.» Also nichts, was Sie in der Rekrutierungsabteilung nicht schon 10’000 Mal gehört haben. Sie können dazu gerne auch meinen Beitrag hier nachlesen. Und die Frage von Ihrer Frageliste streichen.
2. Was ist Ihre Lohnvorstellung?
Das ist etwa so, wie wenn Sie nach dem Traumferienort des Bewerbers fragen. In der Regel sind Stellen und somit deren Kosten ja budgetiert. Das heisst, man hat intern im Unternehmen schon einen Lohnrahmen für die besagte Stelle definiert. Es ist völlig irrelevant für Sie als Unternehmen, welche Lohnvorstellungen nun ein/e Stellenbewerber/in hat, weil Sie sowieso nicht drüber gehen können, nur darunter. Sie werden dann auch von Ihrem Vorgesetzten für Ihr Sparen belohnt mit einem Schulterklopfen. Besser legen Sie offen dar, wie es mit dem Lohn für die besagte Stelle aussieht, legen Sie die Zahlen auf den Tisch: Die Stelle ist budgetiert mit CHF 75’000 bis 90’000 bei 5 Wochen Ferien pro Jahr. Dann können Sie noch locker fragen: «Ist das in Ordnung für Sie?».
Ähnlich dumm ist zudem auch die Frage, wie viel in der letzten Stelle verdient worden ist. Spielt doch keine Rolle. Und wenn Sie einen Bewerber danach fragen, spionieren Sie ja nur indirekt das ehemalige Unternehmen aus. Also bleiben lassen.
3. Wie haben Sie die Kinderbetreuung geregelt?
Hier gilt es, zwei Möglichkeiten zu unterscheiden:
a. Wenn Sie diese Frage einer Frau stellen (und sie keine alleinerziehende Mutter ist, die sich um eine Nachtschichtarbeit bewirbt), dann lesen Sie bitte auf Wikipedia nach, was Diskriminierung heisst. Oder schauen Sie sich Ihr Unternehmensleitbild an. Da steht sicher was dazu.
b. Wenn Sie diese Frage einem Mann stellen (und er kein Witwer oder allein erziehender Vater mit Kind im eigenen Haushalt ist) … Ich kenne ehrlich gesagt keinen einzigen Mann, der jemals gefragt worden ist, wie er seine Kinderbetreuung organisiert; bedauerlicherweise aber etliche Frauen.
4. Was wissen Sie über unser Unternehmen?
Was wollen Sie denn damit herausfinden? Ob Ihre Bewerber ihre Hausaufgaben gemacht haben? Im Internet recherchiert, Zeitungsartikel über Sie gelesen, den neuesten Aktienkurs des Unternehmens kennen? Und was sagt Ihnen das über den Bewerber? Eben.
5. Wieso sollen wir ausgerechnet Sie anstellen? (oder ähnlich)
Zuerst die Konnotation: Sie implizieren sprachlich sehr ungeschickt, dass Ihr Unternehmen viele viele viele andere Bewerber hat und Sie es nicht nötig haben, den Befragten anzustellen. Sie stellen den Bewerber vor die Aufgabe, sich bereits jetzt bewähren zu müssen, zumindest argumentativ, um die Stelle überhaupt zu bekommen. Damit sind Sie nicht mehr auf der gleichen Augenhöhe wie Ihr Bewerber, was Sie vermeiden sollten. Und was wollen Sie mit der Frage herausfinden? Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ein «ich bin der beste Mann für den Job» um die Ohren geschlagen bekommen, ist doch viel zu hoch. Drum lassen Sie es lieber bleiben.
6. Was würde mir Ihr ehemaliger Vorgesetzter über Sie sagen?
Nun, ich hoffe doch, gar rein nichts! Haben Sie denn noch nie etwas von Datenschutz gehört? Der ehemalige Vorgesetzte darf doch überhaupt rein gar keine Informationen über einen ehemaligen Mitarbeiter herausgeben, es sei denn, es wurde von demselben vorab ausdrücklich gestattet (womit natürlich auch Referenzauskünfte völlig obsolet werden, aber hierzu an anderer Stelle mehr). Zudem können Sie mit allergrösster Sicherheit davon ausgehen, dass das Verhältnis zum ehemaligen Vorgesetzten kompliziert war. Wenn Sie es nicht bleiben lassen können, fragen Sie lieber, wie die Teamkollegen den Bewerber beschreiben würden. Das bringt mehr.
7. Wo sehen Sie sich in 5 (oder 10) Jahren?
Ach, wie schön, die Frage nach Utopia! Nehmen wir an, der Bewerber sagt: In 5 Jahren möchte ich genug verdient haben, um am Strand von Waikiki eine Strohhütte zu haben und nicht mehr arbeiten zu müssen. Wirklich? Tja, und jetzt wollen Sie den anstellen? Welche Antwort erwarten Sie denn? Dass der Bewerber sagt, er wolle auch in 10 Jahren erfolgreich in Ihrem Unternehmen tätig sein? Und in 20? Obwohl ich für diese Frage das grösste Verständnis habe, fischen Sie damit mit dem falschen Köder im richtigen Teich. Wenn Sie herausfinden wollen, wie gross das Commitment Ihres Bewerbers für Ihr Unternehmen ist, fragen Sie lieber danach, was sich der Bewerber von Ihnen als Unternehmen wünscht, damit er möglichst lange da bleibt. Und die Antwort lautet: Gutes Team, regelmässige Lohnerhöhung, Aufsteigen können. Danke.
8. Erzählen Sie mal von sich
Nach wie viel Minuten wollen Sie den Bewerber unterbrechen? Sie wissen ja, die meisten Bewerber fassen dann ihren Lebenslauf zusammen. Falls Sie den nicht gelesen haben, ist das gut. Falls schon, ist die Frage reine Zeitverschwendung. Besser: Danke für Ihren Lebenslauf. Können Sie vielleicht in 5 Minuten zusammenfassen, welche Ihre wichtigsten letzten beruflichen Etappen waren?
9. Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?
Oh je. Situativ? Direktiv? Partizipierend? Patriarchalisch? Gehen Sie nach dem Vorstellungsgespräch rasch auf Wikipedia nachlesen, damit Sie wissen, wovon die Rede ist. Welches ist denn nun Ihre Lieblingsantwort? Ich bin bisher noch keinem Unternehmen begegnet, das bei der Bewerberschaft einen bestimmten Führungsstil finden will. Und was tun Sie um Himmels willen mit der Falschantwort «Ich bin dikatorisch»??
10. Wieso haben Sie sich für diese Stelle beworben?
Weil mir mein jobs.ch-Suchabo die Stelle vorgeschlagen hat und ich in meiner jetzigen oder letzten Stelle genau das gemacht habe und ich aber keine Lohnerhöhung bekommen habe und mein Chef ein Idiot ist.
Eine Überlegung vorab
Wie Sie unschwer erkennen können, ist die Mutter aller Fragen immer dieselbe: Welche Antwort wollen Sie hören und wie wollen Sie die Information, die Sie erhalten, verwerten? Vergleichbar machen mit anderen Antworten anderer Bewerber? Welches ist Ihr Referenzrahmen? Wenn Sie das einmal definiert haben, haben Sie den ersten Schritt in die richtige Richtung getan. Versuchen Sie’s!
Bleiben Sie cool!
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